Zu den Voraussetzungen der wirksamen Vereinbarung einer Schiedsgerichtsklausel durch Einbeziehung der niederländischen Speditionsbedingungen

LG Gießen, Urteil vom 31.07.2008 – 8 O 81/07

Zu den Voraussetzungen der wirksamen Vereinbarung einer Schiedsgerichtsklausel durch Einbeziehung der niederländischen Speditionsbedingungen (FENEX) (Rn. 18, 20, 21).

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits und die Kosten der Nebenintervention hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte oder die Streithelferin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

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Die Klägerin macht als Warentransportversicherer Ansprüche gegen die Beklagte aus einem behaupteten Transportschaden geltend.

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Die Firma … erwarb von der Firma … unter anderem 500 Mikroprozessoren CPU AMD Semperon 2400 und 150 Stück CPU AMD Semperon 2500 zu einem Gesamtwert von 70.150,00 USD ab Werk der Beklagten, die gleichzeitig als Lagerhalter der Firma … fungierte. Mit dem Transport der Sendung ab Werk der Beklagten in … … bis zu ihrem Firmensitz in … beauftragte die … die Beklagte. In der Bestätigung der Beklagten durch Email vom 29.11.2004 (Bl. 40) heißt es am Ende:

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All business is undertaken subject to the most recent version of the Dutch Forwardingconditions, deposited at the Registry of the District Courts of Amsterdam, Arnhem, Breda and Rotterdam. A copy of these conditions will be forwarded on request.

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Die Beklagte brachte die Sendung unter Ausstellung des CMR-Frachtbrief 90002514/00 vollständig zum Versand. In der den Transport betreffenden Rechnung vom 30.11.2004 (Anlage B3, Bl. 62) sind 132,00 Euro „Trucking charges“ und 85,00 Euro „Administration costs Fisc. Rep.“ ausgewiesen.

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Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin forderten die Beklagte mit Schreiben vom 8.11.2006 unter Fristsetzung bis zum 23.11.2006 erfolglos zur Zahlung wegen eines Transportschadens auf.

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Die Klägerin behauptet unter Vorlage der Kopie des Versicherungsscheins für die Transportversicherung für das Jahr 2004 (Anlage K2, Bl. 104) alleiniger Warentransportversicherer der Firma … in … zu sein. Die Beauftragung der Beklagten mit dem Transport der Sendung sei zu einem festen Frachtansatz in Höhe von 217,00 Euro erfolgt, so dass die CMR anwendbar und das Landgericht … international zuständig sei. Es sei eine Pauschalfracht von 217,00 Euro vereinbart worden (Beweis: Zeugin …. Daran ändere nichts, dass die Klägerin weitere Kosten abgerechnet habe (Bl. 93). Die Beklagte respektive der von ihr beauftragte Subunternehmer habe die Lieferung nicht vollständig abgeliefert. Bei Ablieferung der Sendung am 30.11.2004 hätten 100 Mikroprozessoren CPU AMD Semperon 2400 (Stückpreis 52,50 USD) und 50 Stück CPU AMD Semperon 2500 (Stückpreis 61,00 USD) gefehlt, mithin Ware im Wert von 8.300,00 USD, umgerechnet nach dem Wechselkurs zum Zeitpunkt der Versendung 6.250,19 Euro. Die Klägerin habe den Schaden abzüglich der vereinbarten Selbstbeteiligung von 3.230,00 Euro reguliert. Die … habe der Klägerin ihre Ansprüche gegen die Beklagte aus dem Versicherungsfall abgetreten, wie sich aus der Abtretungserklärung vom 19.7.2006 (Anlage K3, Bl. 105) ergebe. Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Beklagte aufgrund einer Fixkostenvereinbarung mit der … die Rechte und Pflichten eines Frachtführers (§ 459 HGB) gehabt habe und für den Schaden nach den Artikeln 17 Abs. 1, 13, 29 CMR in voller Höhe hafte. Außerdem hafte die Beklagte als Sammelladungsspediteur (§ 460 HGB) wie ein Frachtführer. Da die Beklagte ihrer sekundären Darlegungslast nicht nachgekommen sei, spreche eine widerlegbare Vermutung für ein qualifiziertes Verschulden im Sinne von Artikel 29 CMR. Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ergebe sich aus Artikel 31 Abs. 1 b CMR und die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts … aus Artikel 1 a des deutschen CMR-Vertragsgesetzes. Die FENEX-Bedingungen hätten dem Transportauftrag nicht zugrunde gelegen und seien durch die E-Mail-Korrespondenz nicht wirksam einbezogen worden. Die … habe von den FENEX-Bedingungen nicht in zumutbarer Weise Kenntnis nehmen können. Die FENEX-Bedingungen seinen nicht in einer Weise veröffentlicht gewesen, nach der die … hätte Kenntnis nehmen können. Die in Artikel 23 der FENEX-Bedingungen enthaltene Schiedsgerichtsklausel sei eine überraschende Klausel. Artikel 33 CMR begründe lediglich eine zusätzliche Zuständigkeit eines Schiedsgerichts neben den staatlichen Gerichten, ohne die Anrufung staatlicher Gerichte gemäß Artikel 31 CMR auszuschließen. Die Anwendung der FENEX-Bedingungen sei wegen eines Verstoßes gegen Artikel 41 CMR ohnehin ausgeschlossen. Wegen der Einzelheiten der Argumentation der Klägerin wird insbesondere auf I. des Schriftsatzes vom 15.5.2008 (Bl. 89 – 92) Bezug genommen. Die Beschädigung der Kartonage sei nicht sofort erkennbar gewesen (Beweis: Zeugen … und … Bl. 94 f.).

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Die Klägerin beantragt,

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die Beklagte zu verurteilen, an sie 6.250,19 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.11.2006 zu zahlen.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Die Beklagte erhebt die Einrede der Schiedsgerichtsbarkeit. Sie behauptet, sie sei für die … lediglich als Spediteur tätig geworden, nicht als Frachtführer. Sie habe mit der … keine Spedition zu festen Kosten vereinbart, wie sich aus der den Transport betreffenden Rechnung vom 30.11.2004 (Anlage B3, Bl. 62) ergebe. Sie habe den Transport nicht zu einem Pauschalpreis angeboten, sondern den vom beauftragten Frachtführer erhaltenen Preis mit einem Aufschlag an die … weitergeleitet. Die Preisgestaltung sei der … bekannt gewesen, die lediglich auf eine detaillierte Abrechnung verzichtet habe. Sie habe den Transport zu einem Preis von 113,17 Euro bei der Firma … beauftragt und auf diesen Preis einen Aufschlag von 18,83 Euro berechnet. Sie habe auch zuvor entsprechend agiert, wie sich aus den Rechnungen vom 23.2.2004 und 16.8.2004 (Anlagen B4 und B5, Bl. 63 f.) ergebe. § 459 HGB fände auf ihre Tätigkeit auch deshalb keine Anwendung, weil aufgrund ihres Sitzes in den Niederlanden auf ihre Tätigkeit niederländisches Recht anzuwenden sei, das den Fixkostenspediteur nicht mit dem Frachtführer gleichstelle. Dies folge aus Artikel 22 Abs. 1 der FENEX-Bedingungen (Anlage B2 a und B2 b, Bl. 42 bis 61) und auch aus Artikel 28 Abs. 2 und 4 EGBGB. Ihrer gesamten Tätigkeit lägen die FENEX-Bedingungen zugrunde. Dies ergebe sich aus sämtlicher Korrespondenz der Beklagten mit der … zum Beispiel auch aus der Auftragsbestätigung per E-Mail vom 29.11.2004 (Anlage B1, Bl. 40). Aus Artikel 23 der FENEX-Bedingungen folge, dass der Rechtsstreit von einem Schiedsgericht unter Ausschluss der staatlichen Gerichte entschieden werden müsse. Die Schiedsklausel sei auch dann nach Artikel 33 CMR wirksam, wenn der Transport den Regelungen der CMR unterläge.

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Die Beklagte rügt außerdem die internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichts. Da sie nicht als Frachtführer tätig geworden sei, sei die CMR nicht anwendbar, insbesondere fänden die Gerichtsstände der CMR keine Anwendung und die Beklagte sei nach Artikel 2 EuGVO an ihrem Sitz zu verklagen.

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Auch ein Anspruch nach der CMR bestehe nicht. Die Ware sei unbeschädigt und ohne Verlust abgeliefert worden (Beweis: Zeuge …). Dies folge in Übrigen auch aus der Unterschrift des Mitarbeiters der … … am 20.11.2004 um 8.15 Uhr auf dem Annahmebeleg (Anlage B6, Bl. 65) und aus der E-Mail vom 30.11.2004 (Anlage B9, Bl. 133 f.) der Mitarbeiterin der … in der die Beklagte um Überprüfung gebeten wird, ob die Teile noch im Lager der Beklagten vorhanden seien.

14

Die Beklagte erhebt außerdem die Einrede der Verjährung. Ein qualifiziertes Verschulden im Sinne von Artikel 32 Abs. 1 Satz 2 CMR sei nicht gegeben, weil der Verlust der Ware nicht während des Transports stattgefunden habe. Die von der Beklagten beauftragten Frachtführer hätten sämtliche Sorgfaltspflichten eingehalten. Wegen der Einzelheiten des behaupteten Ablaufs des Transports wird auf Seite 6 und 7 des Schriftsatzes vom 19.3.2008 (Bl. 38 f.) Bezug genommen. Die Lieferung sei ordnungsgemäß, vollständig und unbeschädigt bei der … angekommen (Beweis: Zeuge …, Bl. 131).

15

Die Streithelferin ist ebenfalls der Ansicht, dass auf den mit der Beklagten geschlossenen Vertrag niederländisches Recht Anwendung finde. § 459 HGB (Fixkostenspedition) und § 460 HGB (Sammelladungsspedition) fänden mangels Anwendbarkeit des deutschen Rechts auf die Beklagte keine Anwendung, so dass die Beklagte nicht als Frachtführer, sondern nur als Spediteur haften könne. Die Sendung sei nicht mit dem behaupteten Inhalt zum Versand gekommen. Der Wert der Prozessoren werde bestritten. Außerdem werde bestritten, dass ein Mitarbeiter der … festgestellt habe, dass das Packband sich gelöst und später provisorisch befestigt wurde.

16

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachvortrags der Parteien wird auf die bis zur mündlichen Verhandlung gewechselten Schriftsätze, den nachgelassenen Schriftsatz vom 26.6.2008 und die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

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Die Klage ist unzulässig. Die Klage war als unzulässig abzuweisen, weil die Klage in einer Angelegenheit erhoben wurde, die Gegenstand einer Schiedsvereinbarung ist, die Beklagte dies vor der mündlichen Verhandlung zur Hauptsache gerügt hat und die Schiedsvereinbarung nicht nichtig, unwirksam oder undurchführbar ist (§§ 1032 Abs. 1, 1025 Abs. 2 ZPO).

18

Die Schiedsvereinbarung folgt aus Artikel 23 Nr. 1 der FENEX-Bedingungen. Die FENEX-Bedingungen sind zwischen der … und der Beklagten für den streitgegenständlichen Transportauftrag vereinbart worden. Ausreichend für eine Vereinbarung ist, dass die Beklagte in der Email vom 29.11.2004 (Bl. 40) auf die Einbeziehung der FENEX-Bedingungen hingewiesen hat und die … dem nicht widersprochen hat (vgl. BGHZ 117, 194; Palandt-Heinrichs, § 305 BGB, Rdnr. 52), zumal auch durch ein Bestätigungsschreiben die Geschäftsbedingungen einbezogen werden können (Palandt-Heinrichs, § 305 BGB, Rdnr. 53 m. w. N.). Die Möglichkeit der zumutbaren Kenntnisnahme für … war durch den Hinweis, dass die Bedingungen auf Wunsch übersandt werden, auch gegeben (vgl. OLG Düsseldorf, VersR 1996, 1394; Palandt-Heinrichs, § 305 BGB, Rdnr. 54). Die Behauptung der Klägerin, die FENEX-Bedingungen seien nicht in einer Weise veröffentlicht gewesen, nach der die … hätte Kenntnis nehmen können, ist damit unerheblich. Die Kammer sieht es aber auch als bewiesen an, dass die FENEX-Bedingungen zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bei den in den FENEX-Bedingungen genannten Gerichten hinterlegt waren, weil angesichts der Bedeutung der FENEX-Bedingungen für die niederländischen Spediteure kein Grund dafür ersichtlich ist, dass die Bedingungen entgegen ihrem ausdrücklichen Inhalt nicht am 1. Juli 2004 bei den genannten Gerichten hinterlegt wurden, so dass auch insoweit eine zumutbare Möglichkeit der Kenntnisnahme für die … bestand.

19

Die Schiedsvereinbarung stellt im kaufmännischen Verkehr auch keine überraschende Klausel dar. Die Kammer folgt der Auffassung des Bundesgerichtshofes, nach der die Vereinbarung eines niederländischen Schiedsgerichts durch ein niederländisches Unternehmen jedenfalls im Verhältnis zu einem Kaufmann weder als überraschend noch als unangemessene Benachteiligung angesehen werden kann (BGH, Urteil vom 26.6.1986, III ZR 200/85, zitiert nach juris).

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Die Schiedsvereinbarung ist nicht deshalb wegen eines Verstoßes gegen die CMR nichtig, weil Artikel 33 CMR lediglich eine zusätzliche Zuständigkeit eines Schiedsgerichts neben den staatlichen Gerichten begründen würde, ohne die Anrufung staatlicher Gerichte gemäß Artikel 31 CMR auszuschließen und die Anwendung der FENEX-Bedingungen wegen eines Verstoßes gegen Artikel 41 CMR ausgeschlossen wäre. Der in Artikel 23 Nr. 1 der FENEX-Bedingungen enthaltene Ausschluss der ordentlichen Gerichte ist nach der CMR zulässig. Die Kammer schließt sich der überzeugend mit dem Wortlaut der verbindlichen Urschriften des Übereinkommens in englischer und französische Sprache begründeten Auffassung des OLG Koblenz im Urteil vom 22.2.2007 (TranspR 2007, 249) an, nach der sich aus Artikel 31 Abs. 1 CMR nicht herleiten lässt, dass die Schiedsgerichtsbarkeit eine Zuständigkeit der staatlichen Gerichte selbst dann nicht ausschließt, wenn sie den Ausschluss der staatlichen Gerichtsbarkeit ausdrücklich vorsieht. Da Artikel 23 Nr. 7 der FENEX-Bedingungen vorsieht, dass das Schiedsgericht die Bestimmungen der CMR anzuwenden hat, besteht auch kein zur Nichtigkeit nach Artikel 41 CMR führender Verstoß gegen Artikel 33 CMR (vgl. OLG Koblenz, a. a. O.).

21

Der Anwendung der FENEX-Bedingungen steht auch nicht entgegen, dass es sich bei dem zwischen der … und der Beklagten geschlossenen Vertrag um einen Frachtvertrag handeln würde und die Haftungsregelungen in Artikel 11 Nr. 1 und 2 der FENEX-Bedingungen dem Wesen des Frachtvertrages zuwiderlaufen würde und nach Artikel 41 CMR nichtig wären. Da die Parteien die FENEX-Bedingungen vereinbart haben, sind diese anzuwenden. Soweit die Haftungsregelungen nichtig sein sollten, führt dies nicht zur Nichtigkeit der Schiedsklausel, weil nach Artikel 41 Abs. 1 Satz 2 CMR die Nichtigkeit von Vereinbarungen, die von den Bestimmungen des Übereinkommens abweichen, nicht die Nichtigkeit der übrigen Vertragsbestimmungen zur Folge hat. Dementsprechend kann dahinstehen, ob die Beklagte wie ein Frachtführer haftet.

22

Die Schiedseinrede ist entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil kein Schiedsgerichtsverfahren anhängig ist und der Einleitung des Schiedsgerichtsverfahrens nach Einreichung der vorliegenden Klage die Einrede der Rechtshängigkeit entgegenstehen würde. Da die Anrufung der ordentlichen Gerichte nach Artikel 23 Nr. 1 der FENEX-Bedingungen wirksam ausgeschlossen ist, kann die Einrede der Rechtshängigkeit nicht erfolgreich erhoben werden.

23

Die Schiedsvereinbarung kann auch gegenüber der Klägerin, die Rechte als Rechtsnachfolgerin der … geltend macht, erhoben werden (vgl. OLG Koblenz, a. a. O.).

24

Dem Antrag der Klägerin im Schriftsatz vom 26.6.2008, nach § 303 ZPO im Wege des Zwischenurteils vorab über die Zulässigkeit der Klage im Hinblick auf die erhobene Schiedsgerichtseinrede zu entscheiden, war nicht zu entsprechen. Da die Klage unzulässig ist, war durch Endurteil zu entscheiden (vgl. Zöller-Greger, § 280 ZPO, Rdnr. 7).

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Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91 Abs. 1, 101 Abs. 1 ZPO.

26

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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